BFH Urteil v. 26.09.2023, IX R 14/22: "Einheitliche Nutzung, getrennte Betrachtung“: Private Veräußerungsgeschäfte bei Abtrennung eines unbebauten Teils des Wohngrundstücks zu eigenen Wohnzwecken
Der Bundesfinanzhof (kurz: BFH) hat am 26.09.2023 folgendes Urteil getroffen: Der Gewinn aus der Veräußerung eines abgetrennten unbebauten Grundstückteils trotz vorheriger Nutzung zu eigenen Wohnzwecken ist steuerpflichtig, da durch die Abtrennung der einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang zwischen den Grundstücken entfällt.
https://www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202410006/
Die Tatsachen im vorliegenden Fall sind eindeutig:
Die Kläger haben ein Grundstück gekauft und in zwei Grundstücksteile 10/1 und 10/2 aufgeteilt. Sie verkauften ein unverändertes Stück, um damit einen Gewinn zu erzielen. Das Finanzamt hat diesen Gewinn als steuerpflichtig eingestuft. Die Kläger argumentierten, dass die Veräußerung des abgetrennten Teils nicht steuerbar sei, da er zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde. Das Gericht entschied jedoch, dass die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken nicht mehr vorlag, da mit der Teilung des Grundstücks der einheitliche Nutzungs- und Funktionszusammenhang zwischen dem bebauten Teil und dem abgetrennten, unbebauten Teil entfallen war. Demzufolge wurde der Gewinn aus der Veräußerung als steuerpflichtig eingestuft.
Dabei stützte sich der Bundesfinanzhof auf §23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG:
Leitsatz Nr. 2 aus dem Urteil vom 26.09.2023:
In Bezug auf §23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG erstreckt sich der Tatbestand nicht nur auf das zu eigenen Wohnzwecken genutzte Gebäude, sondern auch auf den Grund und Boden insoweit ein einheitlicher Nutzungs-und Funktionszusammenhang zwischen dem Gebäude und dem Grundstück besteht.
https://www.gesetze-im-internet.de/estg/__23.html
(1) Private Veräußerungsgeschäfte (§ 22 Nr. 2 EStG) sind
- Veräußerungsgeschäfte bei Grundstücken und Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen (z. B. Erbbaurecht, Mineralgewinnungsrecht), bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. 2Gebäude und Außenanlagen sind einzubeziehen, soweit sie innerhalb dieses Zeitraums errichtet, ausgebaut oder erweitert werden; dies gilt entsprechend für Gebäudeteile, die selbständige unbewegliche Wirtschaftsgüter sind, sowie für Eigentumswohnungen und im Teileigentum stehende Räume. 3Ausgenommen sind Wirtschaftsgüter, die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken oder im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden.
Daraufhin argumentierten die Kläger, dass der Gewinn aus der Veräußerung des unbebauten Teils ihres Wohngrundstücks nicht steuerpflichtig sei, da dieser Teil zuvor zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde. Sie bezogen sich dabei auf die Ausnahme in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG), welche besagt, dass Wirtschaftsgüter, die zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden, von der Besteuerung ausgenommen sind. Die Kläger untermauerten, dass der unbebaute Teil des Grundstücks in einem einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit dem bebauten Teil stand und daher ebenfalls als „zu eigenen Wohnzwecken genutzt“, betrachtet werden sollte.
In diesem Zusammenhang hat der Bundesfinanzhof (BFH) erklärt, dass durch die Teilung des Grundstücks der einheitliche Nutzungs- und Funktionszusammenhang zwischen dem bebauten Teil und dem unbebauten Teil entfiel. Er stellte fest, dass gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG die Ausnahme von der Besteuerung für Wirtschaftsgüter, die zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden, nur dann gilt, wenn dieser Zusammenhang weiterhin besteht. Da durch die Teilung des Grundstücks zwei separate Grundstücke entstanden waren, mussten diese jeweils separat hinsichtlich ihrer Nutzung zu eigenen Wohnzwecken betrachtet werden. Daher war der unbebaute Teil, der abgetrennt und verkauft wurde, nicht mehr als zu eigenen Wohnzwecken genutzt anzusehen, auch wenn er zuvor Teil eines Grundstücks war, das zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurde.
Die Kläger revidierten sich zudem gegen das Urteil 4 K 88/21 des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 20.07.2022, in dem es heißt, dass der Verkauf eines Gartengrundstückteils bei weiterhin bestehender Wohnnutzung im Übrigen nicht von der Besteuerung als privates Veräußerungsgeschäft ausgenommen ist. Durch die fehlende Begründung wurde die Revision abgelehnt.
https://voris.wolterskluwer-online.de/browse/document/9e633a19-392f-4a23-a31e-5e546922b210
Mittelpunkt des Sachverhalts war ein Grundstück eines Ehepaars, welches die Kläger zu einem Kaufpreis von 123.000 Euro im Veranlagungsjahr 2014 kauften (3.863 qm). 4 Jahre später veräußerten die Kläger das Flurstück 10/2 mit einem notariell beurkundeten Vertrag.
Erst 2021 definierte das Finanzamt einen Gewinn in Höhe von 66.400 Euro im Zusammenhang mit dem Grundstück. Der darauffolgende Einspruch der Kläger blieb unberücksichtigt und wurde abgelehnt.
Trotz mehrerer Proteste der Kläger wurde die Revision zurückgewiesen, da die Entscheidungsgründe eindeutig waren:
- Die Veräußerung des Flurstücks 10/2 ist im Rahmen der sonstigen Einkünfte gem. § 22 Nr. 2 i.V.m. §23 EStG eine private Veräußerung mit einem Grundstück, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als 10 Jahre beträgt.
- Gemäß dem Wortlaut und dem Sinn des § 23 EStG sollen die realisierten Wertänderungen eines bestimmten Wirtschaftsguts im Privatvermögen des Steuerpflichtigen der Einkommensteuer unterliegen. Dabei ist das Erfordernis der Nämlichkeit von angeschafftem und veräußertem Wirtschaftsgut entscheidend, wobei Nämlichkeit Identität im wirtschaftlichen Sinn bedeutet. Es kommt auf einen wertenden Vergleich von angeschafftem und veräußertem Wirtschaftsgut unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls an, wobei die Gleichartigkeit, Funktionsgleichheit und Gleichwertigkeit maßgebende Kriterien sind.
- Wenn ein Wirtschaftsgut angeschafft, aber nur teilweise veräußert wird, kann eine wirtschaftliche Teilidentität vorliegen. Die Aufteilung des Wirtschaftsguts kann dazu führen, dass die Teile eine andere Marktgängigkeit erhalten, aber die wirtschaftliche Identität erhalten bleibt, wenn die Teilung ohne aufwendige technische Maßnahmen durchgeführt werden kann und sich die Marktgängigkeit in den Teilen fortsetzt.
In diesem Fall besteht laut dem BFH zwischen dem angeschafften und dem veräußerten Flurstück eine wirtschaftliche Teilidentität. Die Teilung des Flurstücks änderte nichts an dieser Identität. Daher wurde der Veräußerungsgewinn als steuerpflichtig betrachtet.
Des Weiteren wurde vom BFH angefochten, dass der unbebaute Teil des Grundstücks, der veräußert wurde, nicht mehr als zu eigenen Wohnzwecken genutzt betrachtet werden kann, da durch die Teilung des Grundstücks der einheitliche Nutzungs- und Funktionszusammenhang zwischen dem zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäude und dem dazugehörenden Grundstück entfiel. Daher war der Veräußerungsgewinn nicht von der Besteuerung ausgenommen.
Folglich hat der BFH entschieden, dass für die Besteuerung eines Veräußerungsgewinns nach § 23 EStG die wirtschaftliche Teilidentität zwischen dem angeschafften und veräußerten Wirtschaftsgut maßgeblich ist. Die Teilung eines Wirtschaftsguts kann diese Identität nicht grundsätzlich aufheben. Demzufolge besteht die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken nach der Teilung eines Grundstücks nicht mehr. Der einheitliche Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit dem Wohngrundstück 10/1 ist nicht mehr anzunehmen, da durch die Grundstücksteilung und die damit verbundenen Aktivitäten die Veräußerungsabsicht klar auf der Hand liegt. Der Veräußerungsgewinn von Teilgrundstück 10/2 unterliegt somit der Besteuerung durch den fehlenden einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang zwischen den durch die Teilung entstandenen Grundstücken 10/1 und 10/2.
Es ist also Vorsicht geboten bei der Veräußerung von Grundstücksteilen, die zuvor zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden. Wir, als Steuerberater in Berlin informieren sie gerne zu diesem Thema.
Bei Fragen können Sie uns gern anrufen (030-8620331-0) oder mailen an info@steuerberater-berlin.de.
Dr. Alexander Georgi, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Berlin
Christiane Georgi, Steuerberaterin, Berlin
Dr. Georgi Steuerberatungsgesellschaft mbH
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
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